Presse

Georg Rudiger, Badische Zeitung, 17. Juli 2023

Von beachtlicher Qualität

Das Jubiläum 2024 kann kommen: Eric Staiger holt bei den
Semesterabschlusskonzerten mit seinem KHG-Orchester die Sterne vom Himmel.

Ein luftiges Sommerprogramm war das nicht, was das KHG-Orchester im Freiburger
Konzerthaus – und ein paar Tage zuvor im Parktheater Lahr – präsentierte. Stattdessen große
symphonische Brocken: dunkel grundiert, weit ausgreifend, melancholisch gefärbt. Und höchst
anspruchsvoll.
Dass dem aus musikbegeisterten Studierenden und ehemaligen Studenten bestehenden
Orchester, das nächstes Jahr mit Gustav Mahlers dritter Symphonie sein 50-jähriges Bestehen
feiert, unter der Leitung von Eric Staiger gerade mit diesem Programm ein tiefschürfender, in
allen Facetten außergewöhnlicher Abend glückte, überraschte zumindest den Rezensenten.
Schon der gedämpfte, aus Wechselnoten bestehende Streicherteppich zu Beginn von Jean
Sibelius’ Violinkonzert in d-Moll lässt aufhorchen. Carla Marrero gestaltet den Solopart mit
großer Freiheit und dunklem Ton. Die in München lebende spanische Geigerin wird zur
Erzählerin, die in Bann zieht. Ihre Doppelgriffe klingen; in der von Sibelius anstelle der
Durchführung komponierten Kadenz zeigt sie viele Nuancen.
Und auch die zunehmende Virtuosität im Allegro molto vivace meistert Marrero mit
Leichtigkeit. Obwohl sie im Finale zu Beginn ein anderes Tempo wählt als das Orchester und
auch einzelne Figuren verkürzt, fällt der Satz nicht auseinander, weil der Dirigent aufmerksam
reagiert und alle Beteiligten sicher durch die Klippen steuert.

Sibelius 7. Symphonie nach der Pause hat Ruhe, Weite und Kraft. Staiger gelingt mit dem
homogenen, in allen Registern gut besetzten Klangkörper eine hochdifferenzierte, gerundete
Interpretation – mit weichen Posaunen (Max Bergsträsser, David Cox, Ben Thiekötter), gut
ausbalancierten Holzbläsern und einem dichten, intensiven Streicherklang.
In Richard Strauss’ gewaltiger symphonischer Dichtung „Tod und Verklärung“ holt Eric Staiger
mit seinem KHG-Orchester dann endgültig die Sterne vom Himmel. Vom zart pulsierenden
Beginn mit dem kantablen Solo von Konzertmeisterin Felicitas Ohnmacht bis zur rhythmisch
zugespitzten Panikattacke beim ersten Allegro molto agitato, vom hymnischen, bis ins Detail
modellierten Verklärungsthema bis zur allmählichen Ermattung am Ende – das KHG-Orchester
beglückt mit einer klanglichen Qualität, die man sonst nur von Profiorchestern kennt. Das
Jubiläum kann kommen.


Juliana Eiland-Jung, Badische Zeitung, 14. Juli 2023

Novemberstimmung im Hochsommer

Das Konzert des studentischen KHG-Orchesters am Mittwochabend hätte auch im
Kulturprogramm der Stadt Lahr bestehen können. Vor allem Jean Sibelius‘ Violinkonzert mit
der Solistin Carla Marrero konnte begeistern.

Schade, dass die Ränge im Lahrer Parktheater nur zu etwa einem Drittel gefüllt waren, denn das
junge und ambitionierte Orchester unter Leitung von Eric Staiger zeigte hohe Professionalität
und eine unglaubliche Spielfreude und Leidenschaft. Das liegt womöglich mit daran, dass das
Orchester, das 2024 sein 50-jähriges Bestehen feiert, selbst über das Programm abstimmt. Und
so kommt es, dass bei schweißtreibenden Temperaturen ein spätromantisches Programm
gespielt wird, das mit Richard Strauß‘ „Tod und Verklärung“ geradezu novembrig ausklingt.
Dabei gibt es gute Gründe, genau diese Stücke zu wählen. Da ist zum Beispiel die Generationen-
Nähe, denn Strauß hat seine „Tondichtung“ als junger Erwachsener mit gerade einmal 25 Jahren
geschrieben. Dirigent Staiger ist Jahrgang 1996, die aus Spanien stammende Violin-Solistin
Marrero ein Jahr älter. Die Aufbruchstimmung der Spätromantik, die Suche nach neuen
Ausdrucksformen und der Verbindung zu den musikalischen Wurzeln verbinden die drei
aufgeführten Werke mit ihren jungen Akteuren.
Staiger dirigiert das große Orchester mit vorwiegend weichen Gesten, präzise und einladend. So
gelingt der ruhige, sehr intime Anfang des Violinkonzerts als spannungsgeladene Türöffnung in
eine Welt voller großer melodischer Themen und rhythmischer Finessen. Schon bei den ersten
Tönen der Solistin wird klar, dass hier eine reife und durchdachte Interpretation des komplexen
Werks zu erwarten ist. Obwohl Marrero häufig die Augen geschlossen hält, verliert sie nie die
Bindung zu Orchester und Publikum, ihr Spiel ist ebenso einfühlsam wie direkt, ihr Ton warm
und klar, und die Beherrschung der hoch virtuosen Partien nicht nur technisch hervorragend,
sondern auch detailliert ausgearbeitet in Akzentuierung und Dynamik.
Nach der Pause erklang die rund zwanzig Jahre später uraufgeführte siebte – und letzte
vollendete – Sinfonie von Jean Sibelius, die sich von formalen Kriterien löst als atmosphärisch
dichtes Gewebe, das immer dann seinen Charakter ändert, wenn man als Zuhörer meint, eine
Entwicklung vorhersehen zu können. Das in allen Registern hervorragend aufgestellte
Orchester geht die genialisch-assoziative Reise mit, bleibt allerdings genauso Sibelius‘ eher
kühler, nordischer Grundhaltung treu. Fast verunsichert wirkt das Publikum, als der letzte,
strahlende C-Dur-Akkord wie beiläufig erklingt, ohne Pathos, ohne Ausrufungszeichen.
Bei Strauß‘ „Tod und Verklärung“ kommen noch zwei Harfen, Bassklarinette und Kontrafagott
hinzu, es wird eng auf der Bühne im Parktheater. In der langsamen Entwicklung von
Trauermarsch zu Apotheose haben einige Orchestermitglieder die Gelegenheit, ihre
solistischen Qualitäten zu präsentieren. Nicht nur dafür gibt es am Ende sehr zurecht minutenlang Applaus vom begeisterten Publikum.


Christine Adam, Badische Zeitung, 28. Februar 2023

Den Subtext stets vor Augen

Ein Abend der sinfonischen Signale.
Das KHG-Orchester Freiburg bot unter seinem Chef Eric Staiger Bruckners Achte.

Die Zugabe war ein Statement. Das KHG-Orchester blieb nach der Darbietung der abendfüllenden achten Sinfonie Anton Bruckners, nach Applaus und Jubel im gut besuchten Freiburger Konzerthaus, ganz schlicht, ohne Instrumente, vor seinen Notenpulten stehen. Und betätigte sich überraschend als A-cappella-Chor: Es erklang Bruckners Kirchweih-Motette „Locus iste“ (Dieser Ort) von 1869.
Bruckner, der in der katholischen Kirchenmusik sozialisierte Sinfoniker: Seine achte Sinfonie hat er angeblich „ein Mysterium“ genannt. Im Februar 2020 hatte das KHG-Orchester im Konzerthaus bereits Bruckners sechste Sinfonie interpretiert.
Nun bot die bestens geschulte Formation die „Achte“, dieses c-Moll-Werk, in der zweiten Fassung von 1890. Der junge Dirigent Eric Staiger hat das studentische Ensemble zu einem selbst auf den hochexpressiven Strecken präzis spielenden Klangkörper geformt. Der sich auch flexibel zeigte, wenn auf wellenartige Steigerungen unmittelbar leise Momente folgen. So im ersten Satz, wo Staiger bei den introvertierten Phasen mit klarer Zeichengebung Ruhe ausstrahlte.
Oder im Adagio, wo er ein tiefes orchestrales Atmen gestaltete, die Klangschichten wachsen ließ. Aus blühenden Geigenlandschaften entstand organisch ein ebenmäßiges Crescendo, dessen intensive emotionale Spannung sich im Klanggipfel entlud. Nie machte das Orchester den Subtext dieser Sinfonie vergessen, jenes Memento-Mori-Bewusstsein (Bedenke, dass du sterben wirst) des Komponisten. Mit weit umfassender Gestik betätigte sich der Dirigent bei Ausbrüchen gleichsam als Anheizer.
Die um vier Wagnertuben erweiterte Blechfraktion agierte höchst beeindruckend, mit dunklem Klang und dem entscheidenden Quäntchen österreichisch weich: Auch, als das Orchester im Scherzo eine Melodiefloskel wie ein Mantra zu wiederholen hatte. Eine Floskel, die später von den exzellenten Holzbläsern quasi zu einem klingenden Zopf geflochten wurde.
Oder die Signale des schweren Blechs im ausladenden Finalsatz! In den weiten Etappen dieser monumentalen Sinfonie blieb der opulente Streicherapparat intonatorisch zuverlässig, im Pizzicato-Bereich gut koordiniert. Bei den leisen, schnellen Tremoli jedoch könnte noch nachjustiert werden. Ein starker Bruckner-Abend.


Bianca Flier, Badische Zeitung, 5. August 2020

Wilde Klänge und tiefes Gefühl

Valentin Egel und das KHG-Orchester mit Studierenden aus Freiburg überzeugen beim Konzert in der Müllheimer Martinskirche.
Mit einem fulminanten Auftritt des KHG-Orchesters Freiburg unter der Leitung von Valentin Egel wurde in der Martinskirche die durch Corona unterbrochene Konzertsaison wieder aufgenommen. Die Begeisterung der Besucher, die einen der streng limitierten Plätze ergattern konnten, war riesig. Auf dem Programm standen Werke von Janáek, Mozart und Wagner.

Valentin Egel und sein KHG-Orchester, das in seiner Gesamtheit um die hundert Studierende umfasst, traten in unterschiedlichen Formationen auf. Zum Auftakt wurde die Suite für Streichorchester des tschechischen Komponisten Leoš Janáek aufgeführt. Mit großem Einfühlungsvermögen hatte Egel die sechs Sätze mit seinem Ensemble einstudiert. Fein gestaltet waren die lyrischen und dramatischen Elemente im einstimmenden „Moderato-Präludium“, dem die idyllisch ausformulierte „Adagio-Allemande“ als reizvoller Kontrast folgte. Mit tänzerischem Schwung war die „Andante-Sarabande“ in Szene gesetzt, und das furios interpretierte „Presto-Scherzo“ mit seinem besinnlichen Mittelteil hatte etwas schier Wildes, Ungebärdiges. Mit Klangbildern, die an dunkle Wolken erinnerten, setzte das „Air-Adagio“ ein, doch die hellen Violinen und Violas, wenngleich melancholisch angehaucht, waren lediglich das feinsinnig dargebotene Vorspiel zum dramatisch inszenierten Andante-Finale. Eine Interpretation, welche die exzellente Orchestertechnik und die geniale Dirigentenleistung in Einklang brachte.

Wolfgang Amadeus Mozarts Sinfonie Nr. 40 in g-Moll (KV 550) zählt zu den beliebtesten Werken des Komponisten. Während der gesamten Darbietung spürte man die Intention von Valentin Egel und seinem Orchester, mit pointierter Nuancierung und tiefem Gefühl das Publikum zu berühren. Das gelang auch gleich im ersten Satz, dem „Molto Allegro“ mit seinen scharf eingesetzten Kontrasten von Vitalität, Schmerz und einer Art süßen Milde. Die Hörer waren hin- und hergerissen zwischen kämpferischen und schwermütigen Empfindungen. Das „Andante“ mit seiner tragischen Grundstimmung wurde mit der hohen Kunst der Langsamkeit zelebriert, mit kantablen Momenten und einem faszinierenden Spannungsaufbau. Beinahe schon schroff wurde das Menuett vorgetragen. Und doch schimmerte schließlich ein bukolischer Glanz auf wie ein friedlicher Lichtblick. Beim Finale steigerte das Orchester sich in eine fahle Melodramatik.

Als Konzertausklang hatten Egel und das Orchester Richard Wagners „Siegfried-Idyll“ aufs Programm gesetzt. Die Wagner-Kenner unter dem Publikum hatten bei dieser Darbietung natürlich die berühmte Szene aus der Ring-Oper „Siegfried“ vor Augen, in welcher der Held die Walküre Brünhild erweckt. Dirigent Egel setzte in seiner Einstudierung mit dem KHG-Orchester wohl kühne, doch keine pathetischen Akzente. Wie ein ruhiger Strom, durchbrochen von aufwirbelnden Klangstrudeln, floss die Musik dahin und hatte den intimen Duktus der Uraufführung des Werkes im Jahr 1870. In die sehnsuchtsvollen Klänge waren auch deutliche Todesmotive eingeblendet, von den Bläsern wie geheimnisvolle Warnsignale ausgesandt. Die immer wieder durchbrechende Dramatik wirkte ausbalanciert bis hin zum anrührenden Finale. In die letzten Klänge mischte sich dann auch noch Petrus ein, denn genau in diese sensiblen Momente hinein ließ er einen Blitz und einen krachenden Donnerschlag vom Stapel. Nicht unpassend zum Thema „Siegfried“ und Richard Wagner!

Es war bezeichnend, dass der Beifall erst nach einem langen Moment des Innehaltens losbrach. Dann aber nicht mit weniger Heftigkeit als draußen der Sturm.

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